Der Prediger, der von den Sternen kam
Zum Tod des Astrophysikers und Kernkraftkritikers Peter Kafka
Am 20. Dezember wurde Peter Kafka, Ökologe, Kernenergie-Kritiker und lange Jahre Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching, mit der Medaille „München leuchtet“ in Silber geehrt. Dies geschah am Krankenlager, auf dem der 67-Jährige seit Wochen gefaßt den Tod erwartete. Vor wenigen Wochen, als feststand, daß ein Gewächs sein Gehirn zerstörte, rief er seinen weiteren Freundeskreis zu einem Abschieds-Vortrag im Gasteig zusammen, um nochmals und so eindringlich wie möglich seine Botschaft zusammenzufassen: die Botschaft von der absoluten Notwendigkeit der Entschleunigung angesichts des möglichen Untergangs, die Botschaft von der Krise
als Entscheidung. Viel Zeit genehmigte er der Menschheit für diese Entscheidung nicht: eine, vielleicht zwei Generationen. Aber er war kein Mann grimmigen Drohens; er war voller Humor und paradoxer Argumentationskraft, und er glaubte an die unwiderstehliche Macht der Einsicht.
Er nannte sich einen Wanderprediger, seit Jahren trug er die Botschaft durchs Land, die er von den Sternen, von seiner Arbeit als Astrophysiker erhalten hatte. Von den bis in die ersten Sekunden nach dem Urknall zurückgetriebenen Einsichten und aus der modernsten Analyse kosmischer Komplexität entwickelte er die Forderung an alle, bis hinab in die Niederungen der Praxis von Wirtschaft, Energie, Boden- und Steuerrecht. (Peter Glotz, ein prominenter digitaler Sprinter-Coach, hat noch kürzlich vor ihm als mächtigem Ideologen der wettbewerbsfeindlichen Entschleunigung gewarnt.)
Eigentlich berühmt ist Peter Kafka (noch) nicht geworden; aber er gehört zu den Großen der einzig originellen Aufklärungsbewegung des 20. Jahrhunderts, die der Wiener Evolutionsbiologe Rupert Riedl etwas irreführend „Abklärung“ genannt hat: der aus den Errungenschaften der Wissenschaft heraus möglich gewordenen Selbstkritik der (bisher) unreflektierten Fortschritts-Idee und ihrer dialektischen Weiterentwicklung.
Am 20. Dezember besuchten ihn Familienmitglieder und der engere Kreis seiner Freunde, als ihm Bürgermeister Hep Monatzeder die plötzlich banal wirkende Auszeichnung überreichte – es war ein sokratischer Todesmoment. Kafka scherzte leise und mit klaren Augen. Jemand begann zu singen, und wir sangen alle den Gospel-Song vom Gott, der die ganze Welt in der Hand hält. Ein großer Abschied von einem frommen Agnostiker, der uns zwei Tage später endgültig verließ.