Die Überwindung der globalen Beschleunigungskrise
Gibt es Fortschritt ohne Konkurrenz um die Lebensgrundlagen?

Geringfügig bearbeitete Abschrift des frei gehaltenen Vortrags am 31. Mai 2000 in Singen (Singener Werkstätten) zur Forderung nach der konkreten Utopie


Ich möchte Optimismus verbreiten und klarmachen, dass wir uns nicht in einer Fehlentwicklung befinden, sondern in einer zwangsläufigen, logisch unvermeidlichen Entwicklung, die aber eben deshalb nicht so weitergehen kann; aber es hat keinen Sinn, sozusagen jetzt zurückzuschauen und zu beklagen, dass wir so dumm oder so böse waren, uns in diese Situation zu bringen.

Ich möchte klarmachen, dass das logisch notwendig war und möchte deshalb nochmal kurz erklären, wie wir denn hierher gekommen sind an diese Stelle, wie die Wirklichkeit diesen Zustand hervorgebracht hat, in dem wir sind. Ich bin ja Astrophysiker gewesen, ich darf deshalb beim Urknall beginnen und Ihnen nochmal kurz sagen, wie das alles gekommen ist.

Wir verstehen das ja heute ziemlich gut in diesem sogenannten wissenschaftlichen Weltbild, dem im Grunde fast alle anhängen, wenn‘s drauf ankommt, nämlich wenn man Gutachter braucht. Auch wenn der Bischof irgendwas nicht versteht, fragt er die Wissenschaftler, und wenn der Politiker was nicht versteht, fragt er den Wissenschaftler. Deshalb ist es vielleicht auch ganz zweckmäßig, in diesem wissenschaftlichen Weltbild zu beginnen und zu fragen: Ja, wie verstehen wir denn nun das Zustandekommen der Wirklichkeit, von der wir offensichtlich ein Teil sind?


Und da kann ich ihnen als Astrophysiker erzählen, dass alles das, was wir als wirkliche Welt erfahren, vor ungefähr fünfzehn Milliarden Jahren angefangen hat, gemeinsam in einem Zustand fast extremer Einfachheit, in der größtmöglichen Einfachheit, wo nämlich alles, was wir heute die Welt nennen, ganz dicht zusammen war, ganz gleichmäßig – ohne jede detaillierte Struktur – in diesem Zustand, den wir den Urknall nennen. Das ist in der Zeit, in der ich in der Astrophysik war – 35 Jahre lang – immer deutlicher, immer klarer geworden. Sie finden vielleicht in Zeitungen immer wieder mal Zweifel daran und Widersprüche, aber insgesamt ist also diese Aussage immer klarer geworden. Es ist tatsächlich alles, was wir unsere Welt nennen, bis hin zu den fernsten Milchstraßensystemen im Abstand von vielen Milliarden Lichtjahren, die wir heute sehen können... wenn wir die anschauen, dann sehen wir, es gelten überall die gleichen Gesetze und es hat alles einen gemeinsamen Ursprung. Und zwar einen extrem simplen Ursprung, in dem sozusagen überhaupt noch keine Struktur verwirklicht ist, sondern nur Gesetze gegeben sind – das, was wir die Naturgesetze nennen – die wir keineswegs genau kennen; aber trotzdem ist diese Aussage, dass sie überall dieselben sind, sehr gut gerechtfertigt.

Nun, Sie sehen schon, das ist nicht sehr verschieden von dem, was auch die Theologen sich vom Anfang der Welt vorstellen, dass nämlich Gott als Schöpfer noch keine Eigenschaften hat, sondern diese Eigenschaften der Welt erst hervorbringt im Laufe der Zeit.

Die Welt fängt also an im simpelsten möglichen Zustand. Wie kommt sie denn dann zu dem, was heute da ist? Zum Beispiel zu dem, was jetzt hier in diesem Zelt passiert und in ihren Köpfen? Das ist ja auch ein Teil der Wirklichkeit. Wie hat die Wirklichkeit diesen Weg gefunden von diesem unglaublich simplen Anfang zu dem, was jetzt geschieht?

Die Antwort ist: Wir verstehen dieses Prinzip und es ist eine logische Selbstverständlichkeit. Was wir jetzt über die Natur verstanden haben sagt uns: Wenn etwas real geworden, Wirklichkeit geworden ist, dann kann es nicht so bleiben. Es muss schon aufgrund der Naturgesetze etwas herumzappeln in der Menge der Möglichkeiten und andere Möglichkeiten ausprobieren. Das sagen schon die Grundgesetze der Physik. Die Quantenmechanik hat uns das gelehrt. Also, es kann überhaupt nichts vollständig stabil sein, sondern es muss jede Wirklichkeit durch Zufall ihre Nachbarschaft in der Menge der Möglichkeiten abtasten und dabei andere Möglichkeiten verwirklichen. Nun, warum führt dieses Prinzip von diesem simplen Anfang zu der Komplexität, die wir heute in der Welt haben? Und die Antwort ist eben: Das ist logisch unvermeidbar. Schon in dieser Einsicht, dass die Wirklichkeit benachbarte Möglichkeiten abtastet, steckt die Antwort auf die Frage drin, nämlich: Welche benachbarten Möglichkeiten werden denn wahrscheinlich bleiben? Was ist denn wahrscheinlich die Zukunft? Nun, natürlich das, was überlebensfähiger ist. Das ist eine logische Selbstverständlichkeit. Wahrscheinlich überlebt das Überlebensfähigere, nämlich das, was längere Zeit hindurch sich bewähren kann. Das, was sich nicht so gut bewährt, das verschwindet eben wieder, und das ist kein Geheimnis, sondern eine logische Selbstverständlichkeit. Die Möglichkeiten, die besser sind, die bleiben – und die anderen werden wieder verlassen. Nun, welche Möglichkeiten gibt‘s denn?

Die Menge der Möglichkeiten ist so unermesslich groß, dass man sich das überhaupt nicht vorstellen kann. Man kann sie noch nicht einmal durch Zahlen ausdrücken. Ich habe immer dieses Beispiel, das habe ich fast in allen meinen Vorträgen immer benützt, um mal in die Köpfe zu bringen, wie unendlich groß die Menge der Möglichkeiten ist. Wenn Sie versuchen, ein paar Punkte mit geraden Strichen zu verbinden: Wenn Sie zwei Punkte haben, dann können Sie einen Strich ziehen oder nicht, macht zwei Möglichkeiten, und wenn Sie drei Punkte haben, dann können Sie da einen ziehen oder da oder da, oder da und da, oder da und da, oder da und da oder drei Striche oder gar keinen, dann haben Sie acht Möglichkeiten.


Und dann können Sie‘s ausprobieren mit vier und fünf Punkten, und dann sehen sie ja, dass die Zahl sehr schnell wächst – und dann frage ich: Wieviel Punkte müsste ich nehmen, damit die Zahl der verschiedenen Strichmuster größer ist als die Zahl der Atome im Weltall? – Und die Antwort ist: Vierundzwanzig. Ja, also wenn ich vierundzwanzig Punkte habe (zehn und zehn und vier), stellen Sie sich vor alle möglichen Strichmuster durch gerade Striche zwischen Punkten, wo ich Striche ziehe oder nicht, und diese Zahl der verschieden Möglichkeiten ist bereits für vierundzwanzig Punkte größer als die Zahl der Atome im Weltall – eine Eins mit achtzig Nullen, so in der Gegend. Und das heißt, die Frage ist nicht etwa: Wie kann denn das, was heute die Welt ist – bis hin zu uns – wie kann denn das in diesem simplen Weltbild Wirklichkeit werden oder Wirklichkeit sein? So etwas Komplexes, wie kann das denn aus dieser lächerlichen Materie in Raum und Zeit gebildet werden? Das geht doch gar nicht.

Nun, das ist eine falsche Vorstellung; Sie sehen, die Menge der Möglichkeiten ist schon für ein paar Punkte so groß, das natürlich die Möglichkeit des Menschen nichts ist, wo man sagen könnte, die Welt ist zu arm dafür. Was ist ein Mensch? Ein Mensch hat in seinem Hirn vielleicht fünfzig Milliarden Nervenzellen, das sind keine Punkte, das sind hochkomplexe Organe und jede davon ist mit einigen zigtausend anderen solchen Nervenzellen durch komplexe Organe verknüpft, Nervenfasern und Synapsen. Jetzt stellen Sie sich vor: Was hat ein solches Hirn für Möglichkeiten? Die Menge ist unerschöpflich, also arm ist diese materielle Welt in Raum und Zeit überhaupt nicht. Die Frage ist vielmehr: Wie kann es denn sein, dass diese phantastischen Möglichkeiten, die wir darstellen, dass die gefunden worden sind in dieser ungeheuren Menge von Möglichkeiten? Wieso ist denn gerade das gefunden worden, wo es doch so unglaublich simpel angefangen hat? Und darauf ist die Antwort eben: Ja, der Aufstieg zu höherer Komplexität ist aus logischen Gründen wahrscheinlich.

Was heißt Komplexität? Es heißt, dass alles miteinander auf raffinierte Weise verflochten ist.
Complexere heißt flechten, das lateinische Wort ist dasselbe Wort wie unseres. Wenn etwas gut miteinander verflochten ist, dann heißt das: Es passt besser zusammen, und das heißt, es ist wahrscheinlich überlebensfähiger, und deshalb überlebt es wahrscheinlich. Sie sehen, das Prinzip der Schöpfung ist nichts anderes als eine logische Selbstverständlichkeit, dass nämlich wahrscheinlich Wahrscheinlicheres geschieht, das wahrscheinlich Überlebensfähigeres überlebt. Das genügt. Dieses Reich der Möglichkeiten, in das hinein sich die Wirklichkeit ihren Weg sucht – mit der Zeit – ist unendlich reich. Sie sehen ja, wir gehören dazu und alle unsere Gedanken und unsere Utopien; denn was ist eine Utopie? Das sind Gedanken von Menschen über Wirklichkeit. Wie sind diese Gedanken verwirklicht? Durch Aktivität in unseren Köpfen. Das ist materielle Wirklichkeit in Raum und Zeit. Das, was in menschlichen Köpfen geschieht und dann eventuell auf Papier kommt oder auf Tonbänder oder im Fernsehen in Bildern, das ist alles ganz gewöhnliche Materie in Raum und Zeit von seiner unendlichen Komplexität. Nun, jetzt sehen wir aber doch, es passt jetzt nicht mehr so toll zusammen; es droht kaputt zu gehen.

Kommen wir gleich drauf. Wir haben ja jetzt das Gefühl, Komplexität wird abgebaut; aber schauen wir noch einmal ganz kurz, wie das angefangen hat: Am Anfang gibt‘s noch nicht mal die Elementarteilchen. Das wissen wir heute, in den ersten Sekundenbruchteilen dieser Welt gibt es noch nicht mal Elementarteilchen; es ist alles noch einfacher. Da ist nur diese eine Idee, da ist alles so dicht und heiß und gleichmäßig wie möglich. Und dann zappelt diese Wirklichkeit herum und findet dabei in der Menge der Möglichkeiten Gestalten, in deren Nähe sie gerne bleibt. Gestalten, die sich bewähren, nämlich bestimmte Sorten von Elementarteilchen. Da gibt‘s ungeheuer viele verschiedene. Fast alle verschwinden sofort wieder, weil sie keine Überlebensfähigkeit haben. Sie leben nur ganz kurz und sind gleich wieder weg. Aber einige, stellt sich heraus, sind ganz wunderbar zusammenpassend konstruiert und leben Milliarden und Milliarden von Jahren, nämlich das Proton und das Elektron und das Neutron und das Neutrino und die elektromagnetische Strahlung, ein paar solcher Sachen, ganz wenige Dinge. Und das findet die Wirklichkeit bei ihrem Gezappel in diesem allerersten Moment der Welt. Sie findet Gestalten, in deren Nähe sie bleiben kann, und dann bleibt sie da, weil das wahrscheinlich ist.

Nun, wenn wir das anschauen in der Menge der Möglichkeiten, wenn wir uns diese Menge der Möglichkeiten als einen Raum vorstellen, in dem sozusagen diese möglichen Gestalten vorhanden sind als mathematische geistige Gestalten, dann sehen wir, die Wirklichkeit kommt in den Einzugsbereich solcher Gestalten im Reich der Möglichkeiten. Wir können dieses Reich der Möglichkeiten also auch nennen den Himmel oder die geistige Welt oder das Jenseits, wenn wir wollen. Das ist die Menge der geistigen Möglichkeiten, denen die Wirklichkeit bei ihrem Gezappel nahe kommt. Und sie sucht, nein sie sucht nicht, sie findet dabei die, die sich bewähren können.

[...] sind das die materiellen Gestalten, die bis heute geblieben sind, die Elementarteilchen. Und so geht das dann weiter. Wir können dann – das verstehen wir also noch recht gut, da können wir noch eine Menge nachrechnen – da können wir fragen: Ja, wie geht es denn nun weiter? Da fliegen also dann am Abend des ersten Schöpfungstages die Protonen und Neutronen und Elektronen usw. herum, ja, wie kommen wir jetzt zustande? Wie geht‘s denn weiter? Wir sehen, da passiert ein paar hunderttausend Jahre lang überhaupt nichts interessantes. Da fliegen einfach Teilchen herum, stoßen sich gelegentlich, finden aber keine bessere, komplexere Gestalt. Da könnte man sagen: Na gut, die Welt ist fertig. Da könnte am Abend dieses ersten Schöpfungstages dastehen: Und siehe da, es war sehr gut, hat sich bewährt, funktioniert alles. Diese Attraktoren im Reich der Möglichkeiten werden nicht wieder verlassen, wunderbare attraktive Gestalt, da fliegen Teilchen herum. Ein bisschen arm, nicht. Und wir wissen ja auch, dass es dabei nicht geblieben ist.

Nun, was passiert? Warum bricht ein neuer Schöpfungstag an? Weil: Durch die Ausdehnung der Welt kühlt sich dieses Gemisch aus Teilchen und Strahlung ab und die physikalischen Gesetze sorgen dafür, dass, wenn die Temperatur unter ein paar tausend Grad sinkt, dann merken auf einmal einige von diesen Teilchen, dass sie noch was anderes machen können als bloß herumfliegen und zusammenstoßen, nämlich, dann merken die Protonen und die Elektronen, dass sie dauernd so [kreisende Handbewegung] machen können, das heißt da ist eine Gestalt im Reich der Möglichkeiten gefunden worden, die vorher natürlich als Möglichkeit auch schon da war, aber wenn die Wirklichkeit in ihre Nähe kam, ist sie sofort wieder rausgesprungen, konnte nicht dableiben. Aber wenn die Temperatur genügend gesunken ist durch die Ausdehnung der Welt, dann merkt auf einmal die Wirklichkeit: Ach ja, das ist besser! Das bewährt sich! Es bilden sich Atome von Wasserstoff, wo ein Wasserstoffatomkern, also ein Proton, umkreist wird von einem Elektron – und das hat eine gewaltige Wirkung auf die Zukunft. Jetzt stellt nämlich diese Art von Materie fest, dass sie noch etwas ganz anderes machen kann, als willkürlich herumfliegen. Sie stellt nämlich fest, dass sie ihrer Schwerkraft folgen muss und Klumpen bilden muss. Vorher konnte die Materie das nicht. Sie fliegt auseinander durch diesen Anfangsschwung, den sie im Urknall mitgekriegt hat, und sie fliegt wirr durcheinander, und wenn Materie unter ihrer Schwerkraft Klumpen bilden will, wird sie sofort durch die starke Strahlung, die da vorhanden ist, wieder auseinander geblasen und es passiert nichts. Aber, wenn sie genügend kühl geworden ist, auf einmal, wird sie von dieser Strahlung abgekoppelt; wenn nämlich das Wasserstoffatom sich gebildet hat, dann ist es nicht mehr an diese Strahlung angebunden und kann sich deshalb nach anderen Gesetzen bewegen, und es folgt nun der Schwerkraft und fängt an, Klumpen zu bilden. und es entstehen Milchstraßensysteme, und in den Milchstraßensystemen Sterne, und in der Umgebung von Sternen Planeten – und Sie wissen, wie das weitergeht!

Und da sehen wir, die Möglichkeiten ändern sich nicht, aber die Erreichbarkeit von Möglichkeiten ändert sich in diesem Prozess. Die Wirklichkeit zappelt herum in ihrer Nachbarschaft, aber dadurch, dass sie im Reich der Möglichkeiten vorankommt, ändert sich diese Nachbarschaft. Und auf einmal, am zweiten Schöpfungstag, sind andere Gestalten erreichbar. Und nun entstehen die Milchstraßensysteme und die Sterne, und so geht das weiter.

Nun, dieses Bild der Schöpfungstage ist sehr gut gesehen; tatsächlich ist es nämlich so, dass die Wirklichkeit bei ihrem Fortschritt im Reich der Möglichkeiten nicht ganz gleichmäßig vorankommt, sondern es passieren manchmal größere Zufälle, die plötzlich einen Bereich eröffnen, der vorher nicht erreicht wurde. Beispiel: Gehen wir mal schon an den vorletzten Schöpfungstag, an den sechsten: Da trifft ein großer Stein die Erde; er ist so groß wie der Montblanc und löscht die meisten größeren Arten aus, die es auf der Erde gibt. Das war ungefähr vor 65 Millionen Jahren, da hat ein Stein von ungefähr zehn Kilometer Durchmesser die Erde getroffen. Solche Dinger fliegen eine ganze Menge herum im Planetensystem, das ist auch früher schon vorgekommen, und da sterben die Saurier aus und die anderen großen Arten. Und das ist nun ein ganz besonders großer Zufall von außen, da wird das Leben auf der Erde ganz radikal beeinflusst. Die Folge ist die Eröffnung eines neuen Schöpfungstages; nämlich, diese Schwankung war so groß, dass nun plötzlich eine Gestalt erreichbar wird, die vorher sehr unwahrscheinlich zu erreichen war, nämlich diese Entwicklung des Großhirns zu uns hin. Vorher, die Saurier und was da so war, die haben recht gut zusammengepasst; es war eine wunderbare Biosphäre. Aber die Säugetiere haben doch ein Kümmerdasein geführt und konnten nicht wirklich hochkommen in dieser Umgebung. Aber als die Großen alle weggefegt worden sind durch dieses Unfallereignis, war auf einmal eine Menge von Spielraum eröffnet, in das hinein die biologische Evolution viele, viele neue Versuche machen konnte, und dabei wird das menschliche Großhirn gefunden, nicht sofort, der Keim ist ja schon gelegt, das Gehirn ist ja schon viel älter, und da wird nun also dieser jüngste Schöpfungstag eröffnet. Und wenn wir das anschauen, was ist das Prinzip des Übergangs? Sozusagen: Am Abend eines solchen Tages hat dieser Abtastprozess so lange Zeit gehabt zu arbeiten, dass nun wirklich alles gut zusammenpasst, und es scheint ein stabiler, langfristig lebensfähiger Zustand gefunden zu sein. Ich benutze absichtlich die Worte, die Bene Müller vorhin auch benutzt hat, aber wir wissen, im Reich der Möglichkeiten gibt‘s noch viel mehr. Zum Beispiel: Am Abend dieses Tages, da, wo die Saurier und diese Biosphäre wunderbar zu sein scheint, scheint alles zusammenzupassen, und es steht dann auch da: Siehe da, es war sehr gut! Aber durch den Unfall – oder es kann auch durch innere große Schwankungen geschehen – gerät die Wirklichkeit in den Einzugsbereich einer neuen attraktiven Gestalt, die bisher nicht erreicht worden ist. Und dadurch kann also ein ganzer Sturm von Innovationen ausgelöst werden, wo plötzlich sehr, sehr viel Neues gefunden wird und ausprobiert werden muss, ob‘s zusammenpasst. Und dabei geht ganz vieles unter. Und trotzdem wird im Prozess dieses Untergehens das, was überlebensfähig ist, bleiben. Und am Abend steht wieder da: Siehe da, es war sehr gut! Und wenn wir die Geschichte anschauen, dann sehen wir, es ist insgesamt in diesem Prozess immer aufwärts gegangen zu höherer Komplexität.

Jetzt könnten wir uns also zufrieden zurücklehnen und sagen: Gott sei Dank, die Schöpfung führt aufwärts aus logischen Gründen und da brauchen wir uns nicht drum zu kümmern. Das wäre nun der Irrtum; denn heute findet der Schöpfungsprozess IN UNS statt. WIR sind das, was zappelt und bestimmt, wo es hinläuft auf der Erde.

Und da sehen wir nun eben: Verdammt noch mal, es scheint schiefzugehen, was wir hier machen. Es sterben jede Stunde zehn lebendige Arten aus. Wir bauen die Ozonschicht ab, die im Laufe von hunderten Millionen Jahren vom Lebendigen geschaffen worden ist und die dazu geführt hat, dass das Leben noch höher klettern konnte in diesem Tastprozess, weil das ultraviolette Licht der Sonne dadurch gefiltert wurde, und deshalb konnte das Leben noch höher klettern, das heißt das Leben hat selbst die Voraussetzungen geschaffen, die ganze Biosphäre hat daran gearbeitet, neue Bedingungen zu schaffen, die dazu geführt haben, dass es noch höher ging. Und dann kommen wir daher und machen in wenigen Jahrzehnten diese Schicht kaputt. Es ist natürlich, erst mal denkt jeder dran: Um Gottes willen, ich muss Sonnencreme draufschmieren oder einen Sonnenschirm tragen! – Aber was macht der Rest der Biosphäre bei dieser stärkeren ultravioletten Strahlung? Er kann sich nicht schützen und es werden ganz große Zusammenbrüche in der Lebenswelt geschehen. Oder was machen wir? Jeder von uns setzt jeden Tag die Hälfte seines Körpergewichts an Kohlendioxid in die Atmosphäre frei durch seine Teilnahme an dieser sogenannten Zivilisation. Das ist unser Energieverbrauch und bedeutet: Jeder Deutsche setzt jeden Tag die Hälfte seines eigenen Körpergewichts an Kohlendioxidgas in die Atmosphäre frei und die Amerikaner sogar das ganze eigene Körpergewicht. Dort redet man noch weniger darüber als bei uns. Und wenn ein paar Pfennig Steuer daraufgesetzt werden sollen, dann geht ein großes Gezeter los, als ob die Welt untergehen müsste. Und dabei droht natürlich die Welt genau dadurch unterzugehen, dass wir es schaffen, innerhalb weniger Jahrzehnte das Klima der Erde umzustürzen. Und was dabei herauskommt, kann man zwar schlecht vorhersagen, weil es außerordentlich kompliziert ist, aber dass es wahrscheinlich nicht gut geht, ist schon aus logischen Gründen klar.

Gut, also der Mensch ist die bisherige Krone der Schöpfung in diesem Tastprozess, mit dem die Wirklichkeit ins Reich der Möglichkeiten aufsteigt, in eine höhere Komplexität. Der Mensch steht also auf der Erde und jetzt am Ende dieses Prozesses, und es scheint auf einmal nicht mehr sicher, dass das lebensfähig ist. Warum? Nun, es ist völlig klar, die Organisation in größerem Maßstab hat einen selektiven Vorteil und die höhere Innovationsgeschwindigkeit hat einen selektiven Vorteil in diesem Prozess, und deshalb muss dieser Aufstieg immer globaler und immer schneller werden. Und das wird er auch. Und das ist auch schon vor dem Menschen so, weil, das ist logisch, das ist ein logischer selektiver Vorteil, dass in diesem Tastprozess, wenn Gestalten gefunden worden sind, von denen aus schneller im Reich der Möglichkeiten vorangestürmt werden kann, dann übernehmen die die Führung, das ist logische Selbstverständlichkeit. Und deshalb wird der Prozess des Voranstürmens ins Reich der Möglichkeiten immer schneller. Die Innovationsgeschwindigkeit steigt.

Und wenn auf einem runden Planeten, also in einem räumlich endlichen Bereich, dieser Prozess stattfindet, dann führt das zwangsläufig dazu, dass die Organisation des Fortschritts immer einheitlicher wird bis hin zur Globalität. Auch das ist logisch unvermeidbar, weil das Große und das Schnelle einen Vorteil haben, und deshalb muss es immer größer und immer schneller werden. Das Dumme ist nur: Das kann nicht so weitergehen, denn es gibt kritische Grenzen für beides. Klar, nicht wahr, globaler als global kann‘s nicht werden!

Und was ist die kritische Grenze für die Innovationsgeschwindigkeit? Es ist auch ganz, ganz einfach zu verstehen; es redet bloß keiner drüber, weil es schreckliche Folgen hat für unsere heutigen Leitideen. Was ist die logische Grenze der Innovationsgeschwindigkeit in diesem Prozess? Also wie schnell können die Anführer in diesem Suchprozess im Reich der Möglichkeiten voranstürmen, so dass es wahrscheinlich gut geht?

Nun, Fortschritt findet natürlich immer statt. Das ist ja nichts anderes als die Zeit. Die Zeit schreitet fort. Die Frage ist nur: Führt der Fortschritt aufwärts zu höherer Komplexität oder führt er vielleicht abwärts zu Zusammenbrüchen? Nun, Abwärtsführen, das passiert in der Natur ständig, lokal völlig normal. Fast alles, was geschieht, ist ein Irrtum und verschwindet wieder. Fast alle lebendigen Arten sind wieder verschwunden und durch noch besser zusammenpassende ersetzt worden. Auch bei der Entstehung von Milchstraßensystemen kann die Sache schon schiefgehen und es kann plötzlich die ganze Materie, statt sich auf so eine ganz schöne attraktive Bahn zu begeben, in der sie zigmilliarden Jahre immerfort rotieren kann in einem Milchstraßensystem, kann‘s auch schiefgehen, kann‘s auch passieren, dass die Materie einer anderen Idee folgt, weil sie zu einheitlich organisiert war, und das Ganze wird ein schwarzes Loch, das Allersimpelste, was in der Realität überhaupt noch gefunden werden kann; es ist fast so simpel wie der Urknall selber. Das kann passieren, ist auch passiert. Wir wissen heute, dass ganz viele Milchstraßensysteme solche schwarzen Löcher geworden sind oder in ihrem Zentrum gebildet haben. Das kann passieren. Nun, warum gibt es trotzdem so viel interessante Vielfalt in der Welt? Ja, weil so ungeheuer viele verschiedene Versuche gemacht werden konnten. Und warum ist nicht alles schnell in ein schwarzes Loch gefallen? Ja, weil es eben bewährungsfähige Gestalten in der Nähe gibt, die gefunden werden können. Und bewährungsfähig heißt, dass eben genügend lange nachgeprüft wird ob‘s lebensfähig ist oder nicht.

Nun, wenn neu gefundene Gestalten, attraktive Gestalten, in deren Nähe die Wirklichkeit gerät, wenn die durch den Innovationsdrang, durch dieses Gezappel, durch dieses Voranstürmen im Reich der Möglichkeiten, sofort wieder verlassen werden können, ja, dann sind sie halt nicht bewährungsfähig. Lauter logische Selbstverständlichkeiten. Und wo ist da die Grenze, wann kann ich etwas eine bewährungsfähige Gestalt nennen und wann nicht? Das ist völlig klar. Alle attraktiven Gestalten, die wir in der Welt vorfinden als Ergebnisse dieser verschiedenen Schöpfungstage, das sind alles zyklische Gestalten, nämlich welche, wo immer wieder so [kreisende Handbewegung] gemacht wird.

Ja, das ist ja genau die Bewährung, dass eben lange immer wieder etwas ähnliches geschehen soll. Nun, was sind wir für Gestalten? Was ist der Mensch? Er ist auch eine zyklische Gestalt, nämlich, ich werde geboren, kriege dabei mit – als Ergebnis früherer Schöpfungstage – lauter gelungene Dinge, von denen wir wissen, dass sie langfristig funktionieren, nämlich die Elementarteilchen, die Prinzipien der Chemie (hat sich alles nicht geändert seit dem Anfang), die Sprache des genetischen Codes, das Prinzip der lebendigen Zelle, das Prinzip des vielzelligen Organismus, die vielen Organe, das Prinzip des Großhirns – das alles, die biologische Entwicklung, kriege ich alles mit bei meiner Geburt.

Lauter funktionierende zyklische Gestalten, in denen immer wieder das gleiche geschieht im wesentlichen, und dann komme ich auf die Welt: Jetzt kriege ich mit die Sprache von meinen Eltern, die Gewohnheiten, die bewährten kulturellen Gewohnheiten, das heißt die Ethik; Sie wissen, das Wort Ethik kommt von dem griechischen Wort Ethos, und Ethos heißt: die Gewohnheit. Ja, was soll‘s denn sonst auch heißen? Woher wissen wir denn, was gut ist oder nicht? Es ist das gut, was sich bewährt hat. Warum hat sich‘s bewährt? Weil man‘s lange Zeit immer wieder machen konnte, nicht wahr, das heißt es ist eine zyklische lebensfähige Gestalt im Reich der Möglichkeiten gefunden worden von der Wirklichkeit. So, das ist die Ethik. Und so sind auf der Erde Kulturen entstanden, das heißt Tastversuche, bei denen räumlich begrenzte Gruppen von Menschen versucht haben, Gestalten zu finden, indem sie viele, viele Generationen immer wieder so machen konnten. Und jetzt sehen wir sofort, was die Grenze ist, die kritische Grenzgeschwindigkeit. Ja, ich komme also auf die Welt, kriege das alles mit und so weiter, und wenn ich das alles mitgekriegt habe, dann zappele ich natürlich immer noch weiter in meinem Kopf. Das sehen Sie ja, jetzt zappele ich sogar mit den Händen. Frage: Ob das alles zusammenpasst? Und wenn‘s mir gelingt, etwas zu finden, wo es noch ein bisschen besser zusammenpasst, dann stelle ich mich hierher und sag‘s Ihnen und dann verschwinde ich wieder und überlass das meinen Kindern und meinen Schülern. Und dann ist dieser Zyklus einmal vollendet. Jetzt fangen die wieder an und das geht so weiter.

Wir sehen, dieser Zyklus ist der Zyklus der Bewährung des Menschen in dieser Nachbarschaft im Reich seiner Möglichkeiten. Und wenn wir es schaffen, innerhalb dieser Zykluszeit ganz woanders hinzuspringen im Reich der Möglichkeiten, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass dabei eine bewährungsfähige Gestalt gefunden wird, praktisch null. Das kann nicht gutgehen. Das ist ein logischer Widerspruch. Die Vorstellung, dass in Eile die Welt verbessert werden könnte durch diesen Tastprozess, das ist ein logischer Widerspruch. Das geht gar nicht und deshalb geht die Sache schief.

Aber – peinlich – ich habe doch eben gesagt, das war logisch unvermeidbar, es musste so kommen, und es hört sich nun ganz so an, als hätte ich ihnen gerade bewiesen, dass das der Untergang ist, nicht? Es muss die Menschheit nach der Entdeckung des Großhirns, was so schnell vorankommt im Reich der Möglichkeiten, muss es immer schneller, globaler werden, bis die globale Fortschrittsgeschwindigkeit die kritische Innovationsgeschwindigkeit überschreitet, bis also innerhalb einer Menschengeneration alles ganz anders ist. Und das ist ja jetzt so. Ich habe ja diese Entdeckung gemacht in der Mitte meines Lebens; jetzt bin ich schon ein ganzes Stück drüber raus, wie ich gemerkt habe, dass alles das, was ich lieben gelernt hatte, ja schon wieder weg war. Aber diese Erfahrung machen heute die Menschen schon am Ende ihrer Schulzeit. Wofür ich mein halbes Leben gebraucht habe, das geht meinen Kindern jetzt so am Ende der Schulzeit. Ja, da ist ja nächstes Jahr schon wieder alles zum Wegschmeissen, nicht?

Gut, jetzt haben wir verstanden, was logisch die Ursache für dieses Scheitern ist. Warum eben jetzt stündlich zehn Arten aussterben und wir sogar das Klima der Erde umwerfen und die Böden wegschwemmen und vergiften und alles das, was eben die ökologische Diskussion ist, und auf diese Dinge wird ja hier in den nächsten Tagen in vielen Details eingegangen werden. Aber jetzt habe ich versucht, erstmal sozusagen als Grundlage zu sagen: Wir verstehen, warum das so kommen musste! Das haben die Menschen auch früher schon verstanden, als sie noch nichts von Wissenschaft und Systemtheorie verstanden haben, denn das ist ganz leicht zu verstehen. Da muss man nicht lange drüber nachdenken; man muss nur hinschauen auf die Welt, dann sieht man, dass der Mensch in dieser Gefahr ist. Und deshalb ist ja auch in allen Schöpfungsmythen, die auf der Erde entstanden sind in den verschiedenen Kulturen, überall diese Idee enthalten des Scheiterns des Menschen durch – ja, da ist so eine geistige Gestalt im Reich der Möglichkeiten, nämlich dieser Engel, der gesehen hat, wie alles funktioniert, und der den Menschen nun das Licht bringt:
Luzifer, der Lichtbringer. Oder Prometheus, der Vordenker, heißt er auf griechisch, der den Menschen das Feuer vom Himmel gebracht hat. Der hat gesehen, wie es funktioniert, der hat nun gesehen, wie Elementarteilchen funktionieren und Atome und die Chemie und der genetische Code und die Verschmelzung von Zellen und das Wachstum von Organen, und wie das Gehirn funktioniert und die ganze Gesellschaft, der Markt, die Werbung usw.; dann sagt er: Wieso soll ich da solange warten, das kann ich doch viel schneller. Ich hab doch alles verstanden. Und bekanntlich, in allen Schöpfungsmythen, ist ganz klar gesagt: Das geht nicht gut! Der fällt immer runter oder er wird immer angekettet – in unserem Mythos fällt er runter und hat hinterher einen anderen Namen und heißt nicht mehr der Lichtbringer, sondern der Durcheinanderwerfer, Diabolos. Teufel; Diabolos heißt: der Durcheinanderwerfer.

Nun, kein Wunder, klar, er hat gesehen, nach welchen Gesetzen die Sache entstanden ist, aber er hat vergessen, dass für die Bewährung Zeit gebraucht wird; nämlich: ich muss abwarten, ob ich denn überhaupt mehrmals herumkomme, ob‘s denn lebensfähig ist, und ich muss viele, viele verschiedene Versuche, unabhängige Versuche, machen, damit die Wahrscheinlichkeit überhaupt gegeben ist, damit ich hier in der Nachbarschaft im Reich der Möglichkeiten lebensfähige, attraktive Gestalten finde. Und die Entstehung des Menschen bedeutet, dass es nun wahrscheinlich, ja notwendig geworden ist, dass diese beiden logischen Bedingungen erfolgreichen Fortschritts von innen heraus zerstört werden. Die Innovationsgeschwindigkeit muss wachsen, und die Globalität wächst bis an die kritischen Grenzen, und deshalb droht der Untergang. Das konnte nicht vorher passieren; das Leben konnte diese Gefahr nicht heraufbeschwören.

Wenn wir es anschauen, genauer, wie denn der Fortschritt im lebendigen Leben geschieht, dann sehen wir sofort: Der Fortschritt in der Biosphäre vor dem Menschen, der geschieht dadurch, dass ein Teilchen der Höhenstrahlung in einen Zellkern kommt und dort einen kleinen Schaden an einem Gen anrichtet oder dass ein Giftmolekül in einen Zellkern hereinkommt und macht eben dort auch so einen kleinen Schaden. Und jetzt ist irgendein kleiner Schaden; er muss ganz klein sein, sonst ist sowieso kein lebensfähiger Nachkomme da. Aber wenn der Schaden klein genug ist, dann kommt also nun ein lebensfähiger Nachkomme, und der muss nun ausprobieren, ob dieser kleine Schaden ein Schaden ist oder vielleicht sogar ein Nutzen. Es ist zum Beispiel, wenn ein Gen verändert ist, ein Eiweiß in der Zelle ein bisschen anders, ein Enzym wirkt ein bisschen besser oder schlechter in der Verdauung oder in der Fortpflanzung oder anderswo. Und jetzt muss das ausprobiert werden in diesen Nachkommen und in dessen Nachkommen und in deren Nachkommen über viele, viele Generationen hin. Bevor diese Mutation getestet ist, ob‘s denn nun zusammenpasst mit dem Bisherigen, ob das Neue mit dem Alten zusammenpasst, das wird über viele Generationen hinweg getestet, und deshalb führt dieser Prozess der biologischen Evolution durch Versuch und Irrtum, durch Mutation und Selektion, aufwärts zu immer besserem Zusammenpassen, weil immer genügend Zeit ist, genügend viele verschiedene Versuche gemacht werden.

Erst mit dem Menschen werden diese logischen Voraussetzungen zerstört. Der Mensch kann, bevor er auch nur einmal herum ist in diesem Generationszyklus, schon wieder ganz was Neues machen, ganz was anderes, und das auch gleich noch global. Ja, wenn er es nur lokal machen würde, dann wäre das nicht so schlimm, dann führt eben das Scheitern zum lokalen Untergang, dann kommt eben von draußen wieder etwas herein, was die Lebensfähigkeit zunächst mal wieder mitbringt. Aber dadurch, dass eben diese kritische Innovationsgeschwindigkeit schließlich global überschritten werden muss, droht nun wirklich der globale Untergang des Menschen und sogar der oberen Stockwerke der Biosphäre, denn die reißen wir ja gleich mit dabei ein.

So, und jetzt muss ich mir natürlich noch ein bisschen Zeit nehmen, klarzumachen, was daraus folgt. Ich habe ja dieses Phänomen nicht den Untergang genannt, sondern die globale Beschleunigungskrise.

Das was ich jetzt hier versucht habe klarzumachen, das ist sozusagen die systemtheoretische Sicht auf die Gründe, wie das Prinzip der Schöpfung in diese Krise führt, in der die Globalität erreicht wird und zugleich die kritische Innovationsgeschwindigkeit überschritten wird. Das ist die globale Beschleunigungskrise, das ist ein singulärer Moment, ein einzigartiger Moment in der Geschichte der Erde, der bisher nicht erreicht werden konnte, und wir erreichen ihn und stehen am Höhepunkt dieser Krise.

Nun, ich nenne es eben Krise, weil ich offensichtlich behaupten will, dass sie überwindbar ist. Krise heißt nämlich, das griechische Wort Krise, heißt: Entscheidung. Sonst hätte ich sie ja gleich den Untergang genannt, wenn ich nicht der Meinung wäre, dass es weitergehen kann. Nun, wie passt das zusammen?

Der Höhepunkt dieser Krise muss aus logischen Gründen erreicht werden, und trotzdem gibt es einen Weg hindurch. Wir können durch diese Krise hindurch. Wie? Völlig klar: Wie ist denn der Weg in diese Krise organisiert worden? Nur durch unsere höheren geistigen Fähigkeiten. Ohne die Wissenschaft und Technik hätten wir das nicht geschafft. Bevor nicht irgendwo auf der Erde irgendeine Kultur diese Moderne entwickelt hat, wäre das Überschreiten der kritischen Geschwindigkeit und das Erreichen der Globalität nicht möglich gewesen, das heißt das ganze Phänomen der globalen Beschleunigungskrise ist organisiert in unseren höchsten geistigen Fähigkeiten, in unserem Bewusstsein, in unserem bewussten Denken und Rechnen und Planen und in unserem guten Willen und guten Gewissen usw. Es ist nicht ein biologisches Phänomen, es ist ein geistiges Phänomen, es ist etwas, was in unseren höchsten Fähigkeiten organisiert ist. Und nun sehen wir auf einmal: Ach so, ja auf diesem Niveau können wir in der Tat die Krise überwinden. Was müssen wir denn tun? Ja, wir müssen den selektiven Vorteil des Großen und des Schnellen verfassungsmäßig abschaffen.

Dadurch, dass alle Menschen ein Gehirn haben und das verstehen können, können wir, wenn wir die Menschheit entsprechend organisieren, also wenn die Mehrheit der Menschen einsieht, was das Problem ist, dann kann die Mehrheit der Menschheit sich eine Verfassung geben, in der das Große und das Schnelle keinen Vorteil haben, sondern in der garantiert ist, das die Ergebnisse der früheren Schöpfungstage nicht abgebaut und vernichtet werden, in denen der Mensch sich zufrieden gibt mit dem, was er ist, und sagt: Der Bereich im Reich der Möglichkeiten, in dem ich wahrscheinlich vorankommen kann ohne die eigenen Wurzeln abzubauen, der ist doch viel schöner, viel größer und viel höher. Das ist alles nichts Neues; es ist das, was die Anführer, die geistigen Anführer der Menschheit seit einigen Jahrtausenden gepredigt haben. Der Mensch ist an einer anderen Front im Reich der Möglichkeiten, der muss nicht mit den Elementarteilchen die Welt verändern und mit den neuen Nukliden und mit den neuen Kombinationen von Genen und mit immer neuen Chemikalien – wir erzeugen ungefähr genauso viele neue Chemikalien, wie wir Arten ausrotten. Jede Stunde ein paar neue Chemikalien auf der Erde, und jeder Chemiker, der eine findet, ist stolz und sagt: Schau, was ich gefunden habe; etwas, das hat‘s im ganzen Universum noch nicht gegeben! Warum ist er denn da stolz? Ja, im Reich der Möglichkeiten gab‘s das schon immer, klar. Die Frage ist: Passt es zusammen mit dem, was hier auf der Erde über Jahrmilliarden entstanden ist? Und es ist eben bei den meisten solchen Stoffen aus rein logischen Wahrscheinlichkeitsgründen klar, dass das wahrscheinlich nicht zusammenpasst, sonst wäre es nämlich im allgemeinen Gezappel auch gefunden und genutzt worden. Dass also in der Atmosphäre früher keine FCKWs vorkamen und dass die FCKWs vielleicht nirgends im Universum vorkommen, obwohl sie so unglaublich simple chemische Verbindungen sind, das zeigt eben, sie passen nicht zusammen mit der höheren Entwicklung von Leben auf der Erde. Wenn das in den dreißiger Jahren irgend jemand gesagt hätte, dann hätte man gesagt: Panikmache, Spinner. Nun, wir haben das jetzt besser verstanden, man braucht Zeit, um zu sehen, ob sich etwas bewährt oder nicht.

Wie können die Menschen den Antrieb in diese Krise jetzt beenden? Warum haben sie‘s denn früher nicht gekonnt? Die religiösen Anführer und die Philosophen predigen seit Jahrtausenden, dass es irgendwie in den Abgrund führt, was die Menschen tun, und sie haben es nicht ändern können. Ja natürlich nicht; denn die Macht hatte eben immer einen Vorteil. Wenn ein Volk beschlossen hätte, nachhaltig zu leben, es hätte nichts geholfen. Dann ist es eben von seinen Nachbarn gefressen und weggeputzt worden, nicht. Wenn ein Volk beschlossen hätte, pazifistisch zu sein, ja, dann wäre es halt versklavt worden oder gar ausgerottet. Als ich ein Kind war, galt das als völlig normal. Ich hab in der Schule noch gelernt, dass wir nur überleben können, wenn wir unsere Nachbarn ausrotten oder wenigstens versklaven. Es ist noch gar nicht lange her. Und heute glauben die Menschen genau dasselbe – mit etwas anderen Wörtern. Aber im Grunde glauben sie immer noch genau dasselbe. Sie glauben, die Menschen stehen miteinander in Konkurrenz um ihre Lebensgrundlagen, und wer sich nicht die Lebensgrundlagen von anderen aneignet, der wird Sklave, weil sich dann eben die anderen seine Lebensgrundlagen aneignen, und dann muss er die bedienen. Und die ganze Moderne ist erfüllt von dieser Vorstellung, dass der Antrieb des Fortschritts ist, dass Menschen versuchen müssen, sich die Lebensgrundlagen von anderen anzueignen. Das nennt man Kapitalismus – und keiner hat dabei heutzutage ein schlechtes Gewissen. Ja, es wird uns erzählt, es gab ein paar andere Möglichkeiten in der Nachbarschaft, die probiert worden sind, aber die sind schiefgegangen, weil das nicht geht, und jetzt ist klar: Das ist das Ende der Geschichte, der Kapitalismus hat die Erde übernommen und jetzt ist die Geschichte zu Ende: So bleibt das jetzt! Das ist der Inhalt des Buches von Francis Fukuyama über das Ende der Geschichte. Was für ein Unsinn; es gibt ja offensichtlich mehr als nur zwei Möglichkeiten. Die Frage ist eben: Gibt es die Möglichkeit und ist sie erreichbar, dass Menschen sich gemeinsam ihre Lebensgrundlagen garantieren? Ist das eine vorstellbare Möglichkeit? Ist das eine Utopie? Oder ist die Erde selbst diese Insel, auf der diese Utopie konkret werden kann? Na, die Antwort ist völlig eindeutig. Selbstverständlich geht das. Das ging die ganze Zeit nicht, weil die Globalität noch nicht erreicht war. Das Denken und das politische Handeln war Sache von einzelnen Völkern und Gruppen, und da war in der Tat diese Utopie nicht erreichbar, denn die Idee des Friedens und der Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung, die wurde dann halt von außen weggefegt.

Wer versucht hat, solche Ideen bei sich zu verwirklichen, der wurde halt weggefegt. Es ist jetzt natürlich genauso, immer noch. Und trotzdem ist am Höhepunkt der globalen Beschleunigungskrise etwas Neues in Sicht. Nämlich, wenn wir diese Ideen in die Köpfe der Mehrheit bringen, dann kann die Mehrheit die Welt verändern. Genau deshalb, weil wir am Höhepunkt dieser Krise sind. Vorher ginge es nicht. Und deshalb sehen wir auch, welchen Sinn das Wort Krise hat: Im Höhepunkt einer Krise kann erst entschieden werden, ob sie überwindbar ist oder nicht. Vorher geht das gar nicht. Aber am Höhepunkt einer Krise wird auch entschieden, ob sie überwunden wird oder nicht. Und nun wird klar, was die Aufgabe der Menschheit ist, wenn sie sie überwinden will. Sie muss sich so organisieren, dass das Große und das Schnelle keinen selektiven Vorteil haben. und das heißt es muss die Menschheit sich als Betätigungsfeld eine andere Front im Reich der Möglichkeiten suchen, nämlich den Fortschritt bei ihren höheren geistigen und seelischen Fähigkeiten.

Altbekannte Sachen, nicht? Und wir müssen nun also politisch organisieren das Ende des Kampfes um Macht und der Ausbeutung. Und das ist überhaupt nicht schwer. Wenn‘s in den Köpfen der Mehrheit ist, ist das schon gelungen. Es ist noch nicht in den Köpfen der Mehrheit.

Schauen Sie sich an, was heute die Mehrheit der jungen Leute glaubt, was ihr Lebensziel ist: Leih dir ein bisschen Geld, geh an die Börse, und da haste nächstes Jahr zehnmal so viel, dann zahlst du das zurück und du bist reich! Interessant, nicht. Interessante Idee! Wie geht das eigentlich? Reich zu werden ohne jede Leistung? Also, Leistung ist das natürlich. Diese Leistung lohnt sich auch, ganz phantastisch. Aber es ist ohne jede Wertschöpfung. Es sind die Lebensgrundlagen anderer Menschen angeeignet worden, die einen bedienen und einen reich machen. Das ist die Idee. Eigne dir Lebensgrundlagen von anderen an, und dann bedienen die dich. Sie bedienen dein Kapital, dein Vermögen wächst. Das ist die Fortsetzung der Sklaverei mit raffinierteren Mitteln. Sklaverei hieß: Eigne dir andere Menschen an, dann bedienen die dich und du hast es bequem. Na ja, irgendwann kamen ein paar komische Leute, die auch erst sehr beschimpft wurden, auf die Idee zu sagen: Das ist menschenunwürdig. Menschen dürfen nicht andere Menschen als ihr Eigentum besitzen. Das geht nicht! Es ist noch gar nicht so lange her, erst hundert Jahre vor meiner Geburt ist es zum Gesetz in England geworden, dass Menschen andere Menschen wirklich nicht als Eigentum besitzen dürfen. Na ja, warum hat man diese Idee überwinden können? Ja, weil die Bedienung sich auf andere Weise noch viel bequemer organisieren ließ. Man muss sich nicht die Menschen aneignen. Es genügt ja vollkommen, wenn man sich ihre Lebensgrundlagen aneignet. Dann bedienen die einen genauso gut, und man muss sich nicht noch um ihre Gesundheit und sonst was kümmern. Das ist das Prinzip der letzten paar hundert Jahre, immer raffinierter ausgebaut. Eine Minderheit eignet sich die Lebensgrundlagen der Mehrheit an und die Mehrheit arbeitet daran, die Vermögen dieser Minderheit wachsen zu lassen, auf Teufel komm raus. Ganz wörtlich: Und wenn die Welt dabei unterginge. Wir machen lauter Unsinn.

Wir sehen ja, wir machen lauter Zerstörungsprozesse, aber wir nennen das Wertschöpfung. Wir lassen es von unseren Wirtschaftsprofessoren und fünf Weisen und was weiß ich alles als Wertschöpfung bezeichnen und machen weiter so und glauben, es geht nicht anders. Ja, natürlich geht‘s anders. Was ist das für eine Idee, dass Menschen sich von anderen bedienen lassen dürfen? Dass die ganze Gesellschaft bereit ist, eine Sozialhilfe für die Reichen zu bezahlen? Das ist die Kapitalbedienung. Das ist die Sozialhilfe für die, die sowieso alles haben. Die verlangen, dass sie noch mehr kriegen. Das ist die Idee unserer Wirtschaftsordnung. Wer etwas hat, der hat nächsten Jahr ein paar Prozent mehr. Wenn einer besonders viel hat, dann hat er nächstes Jahr sogar fünfzehn Prozent mehr. Wenn er bloß ein bisschen hat, dann hat er vielleicht nur zweieinhalb Prozent mehr, und in Wirklichkeit hat er sogar weniger, weil er nämlich auch zu denen gehört, die zu dem Wachstum der ganz großen Vermögen beitragen. Nun, wie viel macht diese Sozialhilfe für die Reichen aus? Das ist pro Tag in Deutschland in der Größenordnung von zwei Milliarden Mark – jeden Tag! Und jetzt sehen Sie: Die Sozialhilfe für die Armen, die ist Größenordnung fünfzig Milliarden Mark im Jahr. Und jeden Tag stecken wir denen, die sowieso schon alles haben, zwei Milliarden Mark zu und glauben, das ist naturgesetzlich unvermeidlich und das muss so sein. Ja, es geht halt nicht. Das führt dazu, dass die Vermögen wachsen und wachsen – das exponentielle Wachstum, das Bene Müller schon aufzeigte. Ja nun, als das bei uns nach dem letzten Kaputtschlagen vor fünfzig Jahren wieder anfing, da war das noch nicht so schlimm, da gab‘s keine großen Vermögen. Ein paar Sachvermögen zwar, aber die Geldvermögen waren noch vernachlässigbar. Aber dann, was passiert? In fünfzig Jahren wachsen diese Vermögen exponentiell, und heute sind sie so groß, dass sie uns erwürgen. Obwohl nämlich mehr Geld da ist als jemals in der Geschichte, heißt es ununterbrochen: Es ist kein Geld da! Wenn wir einen Kindergartenplatz wollen oder einen Studienplatz oder eine Altenpflege oder Krankenpflege oder Sorge für die beschädigte Natur heißt es: Es ist kein Geld da!

Ja wo ist es denn eigentlich? Es ist an der Macht! Es übt eine ungeheure Macht über die ganze Menschheit aus und erwürgt alle vernünftigen Aktivitäten, weil es den Anspruch hat, zu wachsen – leistungslos. Es sind die leistungslosen Einkommen: Wer was hat, hat ohne was zu tun immer mehr! Und wir glauben das! Wie kommt denn so was? Wo kommen denn solche Wahnideen her? Merkwürdig, nicht? Ich empfehle ihnen, da mal drüber nachzudenken.

Und jetzt sage ich noch ein paar Worte, wie die Gesellschaft des siebten Tages aussehen könnte, in der diese Wahnidee abgeschüttelt ist. Nun, was heißt es denn: Die Menschen können heute alle menschenwürdig auf der Erde leben, immer noch, auch diese sechs Milliarden, und notfalls, für eine gewisse Zeit, auch noch acht Milliarden. Das trägt die Erde noch. Bei relativ altmodischer Landwirtschaft kann fast überall auf der Erde die Menschheit sich noch ernähren. Heute sorgen in Deutschland nur noch zwei Prozent der Bevölkerung direkt in der Landwirtschaft für unsere Ernährung. Als ich geboren wurde war das noch die Hälfte. Und am Anfang des Jahrhunderts, des vorigen Jahrhunderts, waren das in Deutschland noch über drei Viertel der Bevölkerung, die direkt in der Landwirtschaft tätig waren. Jetzt sind‘s noch zwei Prozent, und die Europäische Gemeinschaft möchte erreichen, dass es nur noch ein Prozent ist. Nun, ist das schlimm oder gut? Natürlich ist es nicht ganz wahr, denn es ist ja gleichzeitig ein großer Teil der Menschen immer noch damit beschäftigt, Nahrung zu vergiften und zu verpacken und zu transportieren. Im Grunde genommen müssten wir die auch noch alle mitzählen, dann ist es doch wieder ein bisschen mehr als diese zwei Prozent, aber auf jeden Fall ist eines deutlich: Es sind nur noch wenige Menschen nötig, um die Bedürfnisse aller anderen zu erfüllen. Die wesentliche Bedürfnisse an Lebensgrundlagen, die wichtigsten Güter für alle Menschen sind von einem kleinen Prozentsatz der Menschheit zu schaffen. Ja, was für eine verrückte Idee, dass man dann alles an der Arbeit festmacht und sagt: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen! So ungefähr, nicht?

[...] überall angstvolle Gesichter: Um Gottes willen, da ist einer verrückt geworden, nicht? Kommunist geworden oder so was. Nun, es geht nicht darum, die kommunistischen Ideen wiederzubeleben. Es gibt viel, viel bessere. Ich meine, der Anfang des Kommunismus war natürlich sehr gut begründet. Es war die Zeit, in der die kleinen Kinder in den Bergwerken herumgekrochen sind und in den Kamin von reichen Leuten, damit sie überleben konnten. Dass da Marx und Engels auf solche Gedanken kamen, war sehr logisch und vernünftig. Nur ist es halt dann entartet, weil einige andere Gesetze der Logik verletzt worden sind und weil eben ein neues Wachstum von noch dümmerer und noch bösartigerer Macht dadurch wahrscheinlich wurde. Nun aber, wir können selbstverständlich eine Gesellschaftsform entwerfen, zunächst im Kopf und dann in der Wirklichkeit (in der größeren Wirklichkeit, der Kopf ist ja auch Wirklichkeit), eine Gesellschaftsform, in der diese Antriebe verschwinden. Das kann ich ihnen mit ein paar Sätzen noch skizzieren.

Also, die leistungslosen Einkommen werden abgeschafft bzw., wenn die Gesellschaft das schafft, leistungslose Einkommen zu erzeugen, dann werden die gerecht verteilt, das heißt vor allem an die, die selbst leistungsschwach sind: die Kinder und die Alten und die Kranken und die Behinderten. Es ist auch absolut logisch, wenn eine Gesellschaft leistungslose Einkommen hervorbringt, dann schön und gut. Aber warum denn denen geben, die sowieso schon alles haben? Dann natürlich denen, die zu schwach sind, selbst durch Leistung etwas zu erarbeiten, nicht? Absolut logisch und ganz einfach und klar. Da braucht man nicht drüber zu diskutieren. Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Dazu gehört, dass die Lebensgrundlagen aller Menschen eben gemeinsam gesichert sind, garantiert sind. Das bedeutet nicht eine Gleichmacherei. Das heißt nicht, dass alle Menschen gleich sein werden, sondern es heißt nur, dass alle Menschen in der Beziehung gleich sind, dass sie nicht miteinander um ihre Lebensgrundlagen konkurrieren müssen. Sie können nach wie vor durch gute Ideen, durch fleißige Arbeit mehr verdienen als die anderen und sich dadurch ein schöneres Haus schaffen und eine schönere Reise machen und in teurere Konzerte gehen. Gleichmacherei bedeutet das nicht. Es bedeutet nur das Abschneiden dieses ungerechtfertigten leistungslosen Einkommens von denen, die sowieso schon fast alles haben.

Nächster Punkt: Die öffentlichen Aufgaben werden nicht finanziert aus Steuern der heutigen Art, sondern aus Steuern, die das Schädliche behindern. Man soll nicht das besteuern, was vernünftigerweise Menschen tun sollen, wo sie wirklich Leistung erbringen, die soll man nicht besteuern. Leistung soll man fördern, wenn sie keinen Schaden anrichtet. Das heißt, besteuern soll man die Schäden. Nun, man soll das besteuern, was man als schädlich erkannt hat. Natürlich wird darüber immer gesellschaftlicher Streit sein. Aber einige Dinge gibt's ja, wo sich jetzt schon alle darüber einig sind, dass sie schädlich sind, nämlich zum Beispiel dieses halbe Körpergewicht an Kohlendioxid jeden Tag in die Luft blasen, das wissen wir genau, dass das schädlich ist, und es sind sich alle darüber einig. Also, lassen wir uns das besteuern! Und, weil jetzt gerade von der Ökosteuer wieder die Rede ist: Ja, wie hoch wäre denn die Steuer auf Energieverbrauch in Deutschland, wenn Deutschland heute beschließen würde, alle anderen Steuern abzuschaffen und nur Energieverbrauch zu besteuern? Klingt absurd, nicht. Aber rechnen Sie sich das mal aus. Wenn wir alle deutschen Steuern abschaffen würden, von Bund, Ländern und Gemeinden und Europa, alle Steuern weg und nur Steuer der gleichen Gesamthöhe auf den Energieverbrauch setzen, dann ist das etwa 25 Pfennig pro Kilowattstunde Primärenergie. Das bedeutet ungefähr 2,50 DM pro Liter Öl und ungefähr 75 Pfennig pro Kilowattstunde elektrischen Strom. Das ist also gar nicht... ja, sehen Sie, das ist ja beim Öl noch nicht mal so viel, wie es die Grünen auf‘s Benzin tun wollen. Und beim Strom ist es auch nur etwas, was also durchaus im Rahmen liegt. Ich meine, es ist etwa dreimal so viel, was heute der Normalverbraucher für seinen Strom bezahlt. Was ist denn eigentlich so verrückt an dieser Idee? Und die Dummheiten, die wir machen, und die zerstörerischen Prozesse sind ja nicht nur der Energieverbrauch. Wir machen ja laufend andere Dummheiten, ganz gefährliche. Wir setzen Chemikalien frei, von denen wir also sogar wissen, dass sie schädlich sind für die Biosphäre, millionentonnenweise. Wir schöpfen das Grundwasser aus der Erde und benützen es zum Autowaschen. Wir spülen die fruchtbaren Böden weg durch die moderne Landwirtschaft. Wir vergiften die Böden usw. Wir machen lauter Dummheiten. Lasst uns die doch besteuern! Wir schürfen Erze aus der Erde, holen Blei heraus und Schwermetalle und bringen die fein zerstäubt in die Biosphäre hinein. Ja, das sind doch alles Sachen, die wir besteuern müssten, nicht? Wir sehen, die Steuerbasis wird lange nicht verschwinden, auch selbst, wenn diese Besteuerung dazu führen würde, dass diese schlimmen Aktivitäten sehr schnell schrumpfen würden. Natürlich würden wir sehr schnell weniger Energie verbrauchen und wir würden bessere Ideen haben, wie man mit Wasser umgeht und wie man das Freisetzen von Chemikalien behindert usw. Aber die Steuerbasis kann immer angepasst werden, denn eine Zivilisation ohne Entropie-Erzeugung gibt es nicht, das heißt Schaden wird immer angerichtet und man kann also immer, mittelfristig und langfristig, die Steuerbasis anpassen an die jeweils zu jeder Zeit größten Schäden. So, und zu diesem Steuersystem würde auch noch gehören, dass man überhaupt das Größenwachstum behindert, weil, wie wir gesehen haben, an der Wurzel des Ganzen liegt ja der selektive Vorteil des Großen. Also wird man eine Größenbegrenzungssteuer einführen, nicht nur für Eigentum, sondern auch für andere Formen der Machtausübung. Also, das sind dann Feinheiten, wie man Größenbegrenzungen einführen kann. Aber wir sehen, dass widerspricht natürlich allen jetzigen Trends. Wir sehen ja jeden Tag neue Fusionen, weil eben diese Fusion scheinbar einen Vorteil hat. Aber es ist kein wirklicher Vorteil; es ist nur ein Vorteil für die, die direkt daran beteiligt sind. Alle anderen haben einen Nachteil davon.

Und der Fortschritt wird immer einfältiger und immer rasender durch dieses Prinzip. Deshalb muss eben die Gesellschaft das behindern. Das kann ich nicht erwarten von den Reichen oder von den Politikern, die mit denen natürlich im Bunde stehen aus logischen Gründen. Die Änderung der Gesellschaft kann nur kommen aus Einsicht in den Köpfen der Mehrheit. Aber wenn nun globale Kommunikation über diese Fragen einsetzt, dann ist es tatsächlich vorstellbar, dass jetzt auf dem Höhepunkt der globalen Beschleunigungskrise diese Ideen in die Köpfe der Mehrheit kommen. Und wir haben ja überall die Idee der Demokratie, also theoretisch glauben ja alle daran, dass die Mehrheitsmeinung entscheiden soll. Ja, dann lasst uns doch darüber reden über solche simplen Dinge, solche logisch selbstverständlichen Aussagen, und lasst uns versuchen, die in die Köpfe der Mehrheit zu bringen! Und dann ist die globale Beschleunigungskrise überwunden. Dann bricht der siebte Tag der Schöpfung wirklich an: Ich meine, dass der Mensch sich seine Lebensgrundlagen gegenseitig garantiert, dass die Grundlagen des Menschen, also die Biosphäre, geschützt wird, erhalten wird, dass der rasende Fortschritt in unbekannte Gegenden des Reiches der Möglichkeiten behindert, beschränkt wird und dass dem Menschen eine neue Front des Fortschritts eröffnet wird. Die ist nicht neu, ich meine, wir sind schon lange an diesem Punkt, nur ist es halt noch nicht gesichert: die Front des siebten Tages, an der der Mensch sich mit dem beschäftigt, wofür er eigentlich fähig ist, ohne seine eigenen Wurzeln zu ruinieren. Das ist das, was wir die höheren geistigen Fähigkeiten des Menschen nennen, dass er nämlich glücklich sein kann, lieben kann, sich freuen kann über das Wachsen seiner Kinder und über die Schönheit der Welt und die Erhaltung der Welt. Und er kann auch Mathematik treiben und alles Mögliche; er darf nur nicht glauben, dass er in Eile diese Welt verbessern kann. Er muss sich damit zufrieden geben, dass er so ist, wie er ist mit seiner Gesundheit, wie sie in Jahrmillionen sich entwickelt hat. Natürlich kann man ein bisschen an der Medizin arbeiten und versuchen etwas zu machen, wenn‘s keinen großen Schaden anrichtet, wahrscheinlich, das kann man schon. Aber diese Vorstellung, dass man jetzt in Eile die ganze Welt verbessern müsste, weil man sonst untergeht, die ist Quatsch.

Also, ich höre jetzt mal einfach auf, ich glaube, ich bin fertig. Es ist klar: Wir Menschen haben die Möglichkeit [die Krise zu überwinden], ganz nah in der Nachbarschaft, sie ist erreichbar, wenn in genügend vielen Köpfen danach gezappelt wird. Und das können wir, darauf haben wir Einfluss, zum Beispiel, wenn wir solche Veranstaltungen organisieren und das weitertragen. Also, es ist nicht Utopie, der Ort ist hier und jetzt. Die Erde ist global, aber nur, um eine globale Verfassung zu finden und nicht, um alles einheitlich zu regeln. Wir schaffen eine globale Verfassung, in der es gesichert ist, dass es lokal in Frieden und Vielfalt weitergehen kann. Vielen Dank.