Zwei Dinge erfüllen das Gemüth mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir.
Selten erwachsen aus philosophischen Erwägungen so einfache geflügelte Worte. Oder ist dieser Satz Immanuel Kants nach 200 Jahren wissenschaftlichen Fortschritts überholt?
Was ist uns heute der bestirnte Himmel, der einst die ersten Einblicke ins Wesen von Naturgesetzen lieferte? Das Staunen ist nicht geringer geworden, denn seltsamerweise berührt sich die Erforschung fernster Himmelserscheinungen heute enger als je mit den tiefsten Fragen nach fundamentalen Gesetzen der Natur und der Weltschöpfung.
Jahrzehnte vor Kant hatte Olav Rømer entdeckt: Das Licht läuft nicht unendlich schnell, sondern etwa 300.000 Kilometer pro Sekunde, das sind 10 Billionen Kilometer im Jahr. Je weiter hinaus wir in den Raum schauen, um so weiter zurück schauen wir also in die Zeit. Damals reichten Fernrohre ein paar Millionen Jahre weit – ohne daß man es wußte. Heute überblicken wir Milliarden von Jahren. Gibt es da ein Ende?
Ja, denn es gab einen Anfang. Das haben Astronomie und Astrophysik nun herausgefunden. Licht, das wir heute wahrnehmen, kann nicht vor dem Anfang der Welt ausgesandt worden sein. Doch wenn wir so weit wie möglich hinausschauen, sollten wir zum Anfang kommen. Im bestirnten Himmel über uns finden wir unseren Ursprung.
Und das andere Ding, das Kant staunen ließ und das nicht nur er in sich fand? Dieser Drang nach oben – nicht zu den Sternen, sondern in ein viel weiteres Reich als es der dreidimensionale Raum der physikalischen Erfahrung bietet? Dieses Spüren und Wissen, daß wir nicht hassen, sondern lieben wollen? Daß wir nicht verloren sind? Daß es auf uns ankommt? Daß hier und jetzt, in uns, die Wirklichkeit ihren weiteren Weg in den unermeßlich reichen Raum der Möglichkeiten ertastet? Sind wir mit diesem zweiten Ding, das wir in uns selbst erfahren, in einer anderen Welt? Und finden wir dort ein Ziel?
Lassen Sie uns unterm Sternenhimmel darüber nachsinnen, wie die zwei Dinge zusammenhängen.