Mitreden!
Die zwei letzten Absätze des Buches Das Grundgesetz vom Aufstieg. Vielfalt, Gemächlichkeit, Selbstorganisation: Wege zum wirklichen Fortschritt“ (Hervorhebung Leisten Sie Widerstand!… von E.W., nicht im Originaltext)

Wie schön die Zeit ist! Die Welt, das Zeitalter des Menschen. Das langsame Hineinwachsen, das Blühen, das Wiederfortmüssen. Hüten wir unsere Welt; hüten wir uns vor jener „kleinen Fehlinformation“, der Einflüsterung des Teufels und seiner Experten, daß wir ja nun verstanden hätten, wie die Welt funktioniert, und daß wir deshalb ihren Wert nun schnell vergrößern sollten, indem wir immer mehr Materie und Energie in unseren Stoffwechsel mit einbeziehen. Es droht nun mehr als der Verlust des Paradieses, nach dem uns immer noch die Erde blieb. Was versprach der Regenbogen nach der Sintflut? Solange die Erde steht... Damit war aber nicht eine tote Steinkugel gemeint, sondern die lebendige Mutter Erde. Lassen wir sie bestehen; hüten wir sie; fesseln wir die zerstörerischen Kräfte, die aufgeblasenen Mächte, die Durcheinanderwerfer; befreien wir uns zu dem, was wir können und dürfen. Ist es nicht ermutigend, daß dies im reduzierten Weltbild des Wissenschaftlers das gleiche ist wie in dem vieler Gläubigen? Bescheidenheit. Lassen Sie sich nicht durch „Gottkundige“ und andere Experten davon abhalten, die sich in den Dienst der Innovations- und Vereinheitlichungsparteien stellen und die als Heilmittel in der bald von allen erkennbaren Krise immer mehr Kapitalspritzen zur Förderung der beiden Hauptsymptome – Einfalt und Raserei – verordnen werden. Leisten Sie Widerstand! Schämen Sie sich nicht, über Dinge mitzureden, die Sie nicht ganz verstehen! Alles Wesentliche ist nicht verstanden!

Zwei hundertste Geburtstage, derer wir uns dieses Jahr (1989) erinnern, geben Anlaß, über den eigenen Beitrag zur Heilung nachzudenken: Hitler erinnert uns, daß wir keinen Führern und ihren Mehrheiten folgen und nicht aus falscher Bescheidenheit den Widerstand anderen überlassen dürfen. Wittgenstein lehrt uns durch sein meistzitiertes Wort, vom Ende des
Tractatus, warum gerade die bravsten Wissenschaftler so leicht in die Katastrophen mitlaufen: ebenfalls aus falscher Bescheidenheit! „Worüber man nicht reden kann, davon muß man schweigen“, sagt er – und Tausende unserer intelligentesten Mitbürger käuen diesen Wahlspruch des Positivismus noch heute als ihr Glaubensbekenntnis wieder, wenn sie nach ihrer Verantwortung gefragt werden. Das Wort ist aber falsch. Was glauben Sie, wie Wittgenstein selbst sprechen gelernt hat? Nicht durchs Schweigen! An der Front der Evolution erscheinen nicht lauter geschliffene Edelsteine. Auch das Ringen ums bessere Verstehen, der Heilungswille in unserer Krise, ist ein Probieren und Auswählen. Das Wort Wittgensteins muß revidiert werden: Worüber man nicht reden kann, davon muß man stammeln!